Erinnerungen an den Bau eines Förderstollen Dörnten

– Gr. Döhren 1922/25

Mit eigenen Aufnahmen

Von Aug. Lutter

Teil 1

Die Ilseder Hütte besitzt außer den Erz-Bergwerken in Bülten und Lengede noch ein solches in der Nähe von Dörnten (Fig.1).

Hier gewinnt sie die Erze seit 1880 (Fig. 2) bis auf den heutigen Tag. Die Erze werden im Tage- und Tiefbau gewonnen und zur weiteren Verladung auf einer Elektro-Grubenförderbahn (Fig. 3) der Verladestation am Bahnhof Dörnten zugeführt. Hier werden dieselben auf eigenen Talbotwagen von 6,0 t Inhalt umgeladen (Fig. 4) und mit der Staatsbahn über Ringelheim, Braunschweig, Broistedt nach Groß Ilsede gebracht, wo sich das Hochofenwerk befindet.

Die durch diesen Transport verursachten Frachten geben einen erheblichen Ausschlag für die Selbstkosten der Ilseder Hütte. Es war daher ein Bedürfnis, sich durch Umstellung dieses Transportweges von der Staatsbahn freizumachen, um dadurch besser zu disponieren sowie die Ausgaben für die Frachten erheblich zu verringern. Schon in früheren Jahren hatte die Ilseder Hütte die Absicht, durch Erbauung einer eigenen Förderbahn Gr. Ilsede - Broistedt - Dörnten diese Vorteile für sich zu erlangen.

Im Kriege 1914-18, wo die Anforderung nach Eisenerz immer größer wurde, die Leistung der Gruben Bülten, Lengede und Dörnten bis auf das höchste gestiegen war, hieß es, neue Erzreserven bereitstellen. Liegen doch zwischen Kniestedt und Engerode Grube Hannoversche Treue und Grube Neue Hoffnung auf Haverlahwiese noch große Mengen Eisenerz, welche nach kurzen Abraumarbeiten freigelegt und zur Verstärkung hätten herangezogen werden können. So wurden auf Veranlassung des Kriegsministeriums im Jahre 1917 die Arbeiten auf der Grube Hannoversche Treue (Fig. 5 und 6) in Angriff genommen und gleichzeitig ein eigener Transportweg durch den Bau einer Normalspurbahn Broistedt - Calbecht geschaffen. Die so in Kniestedt zu gewinnenden Erze konnten auf den kürzesten Wege nach Gr. Ilsede gebracht werden. Vorweg sei erwähnt, daß die Dörntener wie Kniestedter Erze auf der Hütte nur als Zuschlagerze verhüttet werden.

In neuerer Zeit ist auf dem Hochofenwerk eine Brikettieranlage errichtet. Hier werden die Erze der vorhin erwähnten Gruben in eine feste Form gebracht, um dadurch den Hüttenprozess zu erleichtern, sowie noch sonstige Vorteile zu erlangen. Die Gewinnung der hierzu erforderlichen feinen Erze geschieht auf den einzelnen Gruben durch Absieben mittels Siebtrommeln von ca. 18-20 mm Lochung. Auf der Grube Georg Friedrich in Dörnten (Fig. 7) sowie Hannoversche Treue in Kniestedt (Fig. 8) werden z. Zeit die Erze versuchsweise gesiebt; später ist jedoch eine Zentralsieberei in Calbecht hierfür vorgesehen. (Fig. 9, z. Zeit im Bau).

Für die Dörntener Erze war inzwischen die Fortführung der Bahn Broistedt - Calbecht als Schmalspurbahn nach Groß Döhren beschlossen. Im Jahre 1922 ging dieses Projekt seiner Ausführung entgegen und zwar von Calbecht aus beginnend. Leider mußten die Arbeiten infolge wirtschaftlicher Verhältnisse vom Mai bis August 1924 ausgesetzt werden.

Durch den oben erwähnten Bau der Schmalspurbahn fehlte aber noch die Verbindung mit der Grube Georg Friedrich. Nach sorgfältiger Prüfung wurde beschlossen, den Anschluß durch Anlegung eines Förderstollen von Großdöhren bis an den Schacht Georg Friedrich im Niveau der 60 m Sohle heranzuführen.

So ließ sich die Direktion der llseder Hütte die Vorarbeiten für dieses große Projekt im gleichen Jahre 1922 unter den Namen Tunnel Dörnten - Döhren beginnen.

Die erste und wichtigste Frage war die Lage sowie Richtung des Stollens, welche nach Abwägung aller etwaigen Vor- und Nachteile sowie Einholung eines geologischen Gutachtens dann ebenfalls endgültig festgesetzt wurde.

Ein Blick auf (Fig.10) läßt erkennen, daß der Bau dieses Stollen den Sattel des sogen. Salzgitterschen Höhenzuges annähernd in seiner Umbiegung durchquert. Technisch schaffte diese Arbeit eine ausgezeichnete Verbindung der Grubenbaue mit der Endstation Gr. Döhren und brachte außerdem noch Aufschluß über ein weiteres Erzlager, dem Ostflügel unweit der Ohlei. Auch in geologischer. Hinsicht wurden mit diesem Stollen sehr lehrreiche Aufschlüsse gemacht.

Die Inangriffnahme des Stollen erfolgt im Herbst 1922 und zwar von zwei Seiten aus. Einmal im Niveau der 60 m-Sohle des Schachtes Georg Friedrich (Fig. 11) und zum anderen am Bergabhange zwischen den Dörfern Groß- und Klein Döhren. Seine ganze Länge beträgt 2204 m. Der Querschnitt mißt in seiner Höhe 2,50m und in der Breite 3,3 m.

Allen vorweg wurde unter Leitung des Herrn Markscheider Mensing umfangreiche und sorgfältige Höhen- und Winkelmessungen ausgeführt. Auch während der Stollen aufgefahren diese Messungen immer wieder kontrolliert sowie eine scharfe Überwachung des Auffahrens in der Streichrichtung und Höhenlage getätigt. Als ein glänzender Erfolg dieser Arbeiten wurde dann am 10.März 1925 ein genauer Durchschlag des Stollen erzielt.

Mit dem Auffahren des Stollen vom Schachte aus konnte man sofort beginnen, wohingegen auf der Döhrener Seite zuvor ein Einschnitt von ca. 80 m Länge geschaffen werden mußte. Der Stollen vom Schachte aus, welcher zum Teil in Jura und Unterkreide aufgefahren wurde, erforderte infolge seiner mächtigen Tonmittel einen stabilen und dauerhaften Eisenausbau mit Holzverschalung (Fig. 12). Als Türstöcke wurden Doppel T-Träger NP 18 und als Kappe solche von NP 20 benutzt. Es wurde zum größten Teil mit 4 Dritteln je 3 Mann Schichtenzeit 6 Stunden gearbeitet. Die Ablösung erfolgte vor Ort und wurden hierdurch die zeitraubenden Anfahrwege für Frühstückspause sowie letztere selbst ausgeschaltet. Die hierfür erforderliche Aufsicht war in 3 Dritteln mit je 8 Stunden eingeteilt.

Die tägliche Leistung betrug normal durchschnittlich 2 m einschl. Ausbau, Vorbringen von Preßluftrohren und der Gleise. Zum Bohren der Sprenglöcher wurden Demag-Preßlufthammer mit Hohlbohrer benutzt (Fig: 13). Die Bewetterung erfolgte durch kleine Ventilatoren sowie Preßluft-Strahldüsen unter Verwendung verzinkter Blechlutten von 310 mm. An zugeführten frischen Wettern fielen durchschnittlich 6 cbm pro Minute auf den Kopf. Das gewonnene Haufwerk wurde mittels Akkumulatoren-Maschine (Fig. 14) zum größten Teil den abgebauten Pfeilern zugeführt und dort versetzt. Die Wasserhaltung wurde anfangs von Pressluftpumpen mit je 0,4 cbm Leistung pro Minute gehalten, machten doch die Normalzuflüsse kaum mehr als ½ cbm pro Minute aus. Größer wurden die Wasser, sobald Klüfte oder Sandsteinbänke angefahren, oder wenn uns ein Wassereinbruch überraschte. Die zufließenden Wasser solcher Einbrüche war verschieden. So hatten wir am 8. März 1923, nachdem 3 m im Gipskeuper ausgelängt waren, den ersten Wassereinbruch mit 1 m³ Zufluß pro Minute. Nach mehrstündiger Unterbrechung der Arbeit hatten die Pumpen die Sohle wieder trocken gelegt. Wir durchfuhren dann den Keuper weiter und faßten Muschelkalk. Nachdem dieser Kalk durchfahren, herrschte allgemein die Annahme, daß man der Gefahr größerer Wasserzuflüsse entkommen sei. Leider erwies sich diese Annahme als trügerisch, denn kaum waren wir wieder in Gipskeuper, als uns am 8.6.1923 durch einen Sohlenschuß ein zweiter Wassereinbruch die Arbeit unterbrach. Die hier hereinbrechenden Wasser, ca 7 m³ pro Minute waren so gewaltig, daß ein Verweilen an der Arbeitsstelle unmöglich war. Von den heranlaufenden Wassern wurden alle in der Strecke vorhandenen Bretter, Hölzer, Schießkisten pp. wüst durcheinander gebracht. Alle in der Nähe des Schachtes vorgenommenen Abdämmungsversuche das Wasser aus den hier liegenden Pumpenräumen fernzuhalten schlugen fehl.

Die Zuflüsse waren zu stark. Die Pumpen waren inzwischen auf ihre höchste Leistung gebracht. Doch merkte man nach einiger Zeit, daß eine BewäItigung oder gar Abnahme des Wassers nicht eintraf. So wurde es abends 9 Uhr und wir waren genötigt, sämtliche Pumpen abzuschalten, desgl. die elektr. Kabel. Das Wasser stand jetzt nach Füllung der Schachtsümpfe ca. 0,75 m hoch in den Füllortstrecken und umspülte bereits die Motoren der Pumpen. Eine Beseitigung und Herausschaffung dieser Motore war nicht mehr möglich. Nur der Riemen des Kompressors sowie dessen Motor wurden gelöst und als einziger Ausweg hoch unter die Decke des Maschinenraumes gezogen, um so das Wasser fernzuhalten (Fig. 15, Ansicht des Kompressorraumes nach den Instandsetzungsarbeiten). Der Schacht mußte einstweilen dem Ersaufen preisgegeben werden, bis die inzwischen von Bülten und Lengede herbeigeschafften Pumpen eingebaut und in Betrieb genommen wurden. Nach zwölfstündiger Arbeit hatte man im Schachte nach Entfernung der Spurlatten und Einstriche eine Pumpe von 3 cbm Leistung in Betrieb gesetzt. Das Wasser war inzwischen 5 m hoch im Schachte gestiegen. Anschließend folgte der Einbau einer zweiten gleichen Pumpe, sodaß die Schachtsohle nach etwa 6 Tagen freigelegt und für die Erzförderung wieder in Betrieb genommen werden konnte.

Im Stollen vergingen wohl noch einige Wochen, bis das aus den Seitenstößen losgespülte Gebirge ersetzt und die Strecke von umherliegenden Hölzern pp. wieder freigemacht wurde. Die unter Wasser gestandenen Motore waren inzwischen ausgebaut und dem Peiner Walzwerk zum Austrocknen überwiesen. Erfreulicherweise wurden Druckerscheinungen am Ausbau nicht beobachtet.

Die Arbeiten wurden nun wieder aufgenommen und in Gipskeuper weiter ausgelängt. Schon war man längere Zeit im unteren Keuper, als am 24.3.1924 ein dritter Wassereinbruch hereinbrach (Fig.16). Dieses mal war der Zufluß ähnlich dem des ersten Einbruches und erlitt der Betrieb nur eine kurze Unterbrechung. Obwohl Keuper und Lias, beides Tone mit viel Sandsteinbänken, manchmal erhebliche Wasserzuflüsse brachten, konnten die Arbeiten infolge größerer Pumpenreserven ungehindert ihren Fortgang nehmen. An Gebirgsformationen wurde noch der Mittlere und Obere Lias durchfahren, bis man am 17.12.1924. das Erzlager im Ostflügel anfuhr.

Nach Durchörterung des Lagers, welches eine Mächtigkeit von einigen Metern aufwies, zeigte sich ein ziemlich mächtiger graugrüner Sand. Anschließend folgte der Neokomton in sehr geringer Mächtigkeit, der in seinen Hangenden ein kleines Phosphoritlager führte. Es folgte nochmals ein graugrüner Sand, der sogen. Hilssandstein in einer ebenfalls mäßigen Mächtigkeit. Über diesen Sandsteinen zeigte sich kein Neokomton mehr, vielmehr trat Minimuston in sehr großer Mächtigkeit auf. In den oberen Lagen nahmen diese Tone an Festigkeit zu, wurden sandiger und gingen in den Flammenmergel über.

In diesen Mergeln erfolgt am 10.3.1925 der Durchschlag des Stollen (Fig.17). Die beiden Gegenörter paßten in ihrer Streichrichtung wie Höhenlage sehr genau, was ein großer Erfolg der markscheiderischen Arbeiten war.

Auf der östlichen Seite des Stollens verliefen die gesamten Arbeiten ohne jegliche Störung. Angefangen wurde auch hier im November 1922  (Fig.18). Bevor man jedoch das Stollenmundloch ansetzen konnte, mußte man, wie schon früher erwähnt, einen ca. 80 m langen Einschnitt herstellen. Zu Anfang hatte der Stollen unter sehr starken Schub von der Bergseite her zu leiden, was uns veranlaßte, die ersten 10 m sofort in starke Mauerung zu setzen.

Dann ging der Vortrieb in Emscher Mergel weiter. Infolge eines sehr starken Gebirgsdruckes mußte auch hier ein ebensolcher eiserner Ausbau vorgenommen werden, wie er sich bereits auf der westlichen Seite befand. Nach Verlassen des Emscher Mergel erreichten wir die Pläner Kalke, die wegen ihrer guten Beschaffenheit keinen Ausbau erforderten. Es wurde, um möglichst lange in diesen Schichten zu fahren, dem Stollen mehrmals eine andere Streichrichtung gegeben. Wenn hierdurch auch einige Meter mehr aufgefahren werden mußten, so war das Fehlen des Ausbaues sowie dessen spätere Unterhaltung immer ein großer Vorteil.

Im Stollen wurde auch hier wie auf der westlichen Seite zum größten Teil in 4 Dritteln zu je 6 Stunden Gearbeitet. An Bohrmaschinen wurden ebenfalls Demag-Hammer benutzt. Die Wetterführung versah auch ein kleiner Ventilator nebst Strahldüsen. Die Wettermenge betrug 7-8 cbm pro Minute auf den Kopf. Die tägliche Leistung war 2 m und darüber. Das gewonnene Haufwerk wurde mittels einer Benzol-Lokomotive (Fig. 19) auf eine in der Nähe des Stollens angelegte Halde gefördert. Die Wasserhaltung war eine einfache und billige, weil der Stollen mit einem Ansteigen yon etwa 1:1200 aufgefahren wurde. Die normalen Wasserzuflüsse waren gering, kamen über 1/4 cbm pro Minute kaum hinaus. Erwähnt sei noch, daß die östliche Seite des Stollen in der Oberen- und Unteren Kreide steht, dessen einzelne Formationen regelmäßig aufeinander folgen.

So wurde denn der Reihe nach Emscher Mergel, Pläner-Kalke, Cenoman und Flammenmergel bis zum Durchschlag aufgefahren.

Das Streichen sämtlicher Schichten beträgt etwa 350°. Das östliche Einfallen schwankt zwischen 60-70°. Bemerkt sei noch, daß im gesamten Stollen etwa 30000 cbm festes Gebirge bewegt wurden. An Sprengmaterialien sind verbraucht:

18260,0 kg Sprengstoff - 8,28 kg pro Meter

11020 Ring Zündschnur - 5 Ring pro Meter

45375 Stück Sprengkapseln - 20 Stück pro Meter

 

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