Fahrdrahtlokomotiven für die Strecke
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Siemens und BBC
Auch wenn die Stollenloks gelegentlich auf der Erzbahn über Tage aushalfen, waren Sie doch von der Konstruktion her zu schwach, zu klein und zu langsam - mit einem Wort: ineffizient. Über Tage aber gab es keine Profileinschränkungen und auch der Oberbau konnte deutlich schwerer ausgeführt werden. Ohne Probleme konnten schwere Lokomotiven eingesetzt werden. Maßgabe war, 30 vollbeladene Schüttgutwagen à 4,0 t Nutzlast (2,3 t Eigengewicht) mit einer Geschwindigkeit von 25 km/h bei Steigungen von 15-20 %0 über eine 14,7 km lange Schmalspurstrecke mit kleinsten Kurvenradien von 100 m nach Calbecht zu befördern. Für die Stromversorgung behielt man das bewährte Bergbausystem von 500 V Gleichspannung bei. Im Prinzip entspricht das einer Überlandstraßenbahn, wobei man es mit der Spannung nicht so genau nehmen sollte. Bei den Einspeisungen an den Gleichrichterstationen Groß-Döhren, Hasenspring und Calbecht (Voßpaß) betrug die Spannung rund 650 V; bedingt durch den Widerstand in Fahrleitung und Schiene konnte diese im Streckenverlauf bis auf 500 V absinken. Grubenloks sind dafür ausgelegt. Die Höhe der Fahrleitung betrug 3,50 m, bei Bahnübergängen 5,50 m, der Leitungsquerschnitt bei Inbetriebnahme 100 mm². Wie wir wissen, hatten die Ingenieure der Ilseder Hütte gute Erfahrungen mit den Produkten der Fa. Siemens gemacht. Neuem gegenüber war man aufgeschlossen. So hatte die Fa. BBC die Fahrdrahtanlage für die Erzbahn geliefert. Letztlich entschloß man sich Lokomotiven bei Siemens und bei BBC in Auftrag zu geben. Konstruktiv waren die Maschinen sich verblüffend ähnlich. Zwei Drehgestelle, vier Fahrmotoren, Mittelführerstand. Zur Auslieferung kamen die folgende Lokomotiven: |
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Fabrikat: Siemens-Schuckert Werke
GmbH. |
Fabrikat: BBC Leistung: 4 x 49 kW Mittlere Fahrdrahtspannung: 600 V Geschwindigkeit: 25 km/h Dienstgewicht: 32,0 t Länge: 8,76 m Breite 2,00 m Höhe über SO: 3,05 m Drehzapfenabstand: 4.00 m Drehgestell-Achsstand: 1,60 m Raddurchmesser: 0,80 m Handbremse mit 8 Klötzen, Druckluftbremse System Knorr, elektrische Bremse über Widerstände |
Wenn die Maschinen sich auch zum Verwechseln ähnlich sehen, so ist in den Abmessungen die BBC-Lok klar die kleinere Ausführung. Einfach unterscheiden lassen sich die beiden Loktypen an der Anordnung der Seitenfenster: BBC hat zwei, SSW nur eines. In der mechanischen Grundkonstruktion sind sie sich dagegen wieder ähnlich. | |
Siemens schreibt zum mechanischen Teil: "Der Oberrahmen besteht aus durchgehend mit Profileisen verstärkten Blechen von 20 mm Stärke, die miteinander durch kräftige Querversteifungen in Nietkonstruktion verbunden sind. Der gesamte Oberrahmen stützt sich mit zwei Drehzapfen und 4 gefederten seitlichen Stützen auf die Drehgestelle ab. [...] In der Mitte des Oberrahmens ist das Führerhaus angeordnet. In der Mitte dieses Raumes steht der Fahrschalter, welcher durch Handrad betätigt wird. Im Führerraum befinden sich außerdem noch die Bedienungsgeräte für die Bremse, das Sandstreuen, die Signalgebung, eine Schalttafel zum Bedienen der Hilfsbetriebe sowie die Meßinstrumente für die Spannungen und Ströme der Motoren. An jeder Stirnwand des Führerhauses befinden sich zwei Fenster, von denen je ein Fenster drehbar, das andere fest ist und elektrische Scheibenwischer hat. An beiden Seiten sind nach innen gehende Türen mit festen Fenstern; daneben ist ein Fallfenster." | |
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Die Abnahme der "Elektrifizierung der schmalspurigen
Erzförderbahn Calbecht-Bahn Gr.-Döhren" fand am 27 Mai 1927 statt. Zu
diesem Zeitpunkt stand nur eine Streckenlokomotive bereit, und zwar die
BBC Fabr.-Nr. 5073 Baujahr 1926. Am 08. Dezember 1928 beantragt die
Werksdirektion die Betriebserlaubnis für die zweite frisch ausgelieferte
Lokomotive, SSW Fabr.-Nr. 2395 Baujahr 1927. Die durch den
Rohstoffbedarf des 3. Reichs steigende Erzproduktion machte dann 1936
die Nachbeschaffung zweier weiterer Loks gleicher Bauart nötig: SSW
Fabr.-Nr. 3155 sowie BBC Fabr.-Nr. 5140. Man möge sich vor Augen halten,
dass zu diesem Zeitpunkt nicht nur die Bergwerke Georg-Friedrich und
Hannoversche Treue durch die Bahn bedient wurden, sondern auch das neu
an die Strecke angeschlossene im Aufbau befindliche Bergwerk
Haverlahwiese. Völlig unerwartet kam dann aber die Enteignung der
Ilseder Hütte durch die Reichswerke "Herman Göring". Nicht nur
Privatleute litten unter den Nationalsozialisten, auch der alteingessene
Industriekonzern verlor nun praktisch entschädigungslos die Bergwerke
Haverlahwiese, Hannoversche Treue, den nördlichen Teil der Erzbahn und -
ab 1940 die beiden BBC-Loks 5073 und 5140. Mit nur zwei Streckenloks lief der Bahnbetrieb nunmehr schlecht als recht. Die Neubeschaffung einer weiteren Lok war aber in Kriegszeiten undenkbar. Die Kriegswirtschaft hatte Vorrang. Erst im August 1954 konnte ein dritte Lok an die Erzbahn ausgeliefert werden; wieder eine Siemens-Schuckert-Maschine mit der Fabr.-Nr. 5455. Die drei SSW-Loks hielten den Betrieb in Gang bis am 2. April der letzte Erzzug den Schroederstollen verließ. Unmittelbar danach fanden die Maschinen ihr Ende unter dem Schneidbrenner. |
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Zuletzt wiesen die Lokomotiven einige technische
Besonderheiten auf. Um den mitunter reichen Schneefällen im
Salzgitter-Höhenzug Herr werden zu können, war an Lok I (SSW Fabr.-Nr.
2395) eine Aufnahmevorrichtung für einen Schneepflug angebaut. So ging
es an verschneiten Wintertagen schonmal in Doppeltraktion mit 30
Erzwagen hintendran auf die Strecke. Jede der Lokomotiven hatte außerdem einen seitlichen Stromabnehmer am Führerhaus angebaut erhalten. Damit konnte die Lok am Erzbunker Voßpaß von der Hauptfahrleitung getrennt und innerhalb der Entladeanlage über einen separaten Nockenschalter und eine seitlich verlaufende Stromleitung ferngesteuert verfahren werden. Dieses Verfahren war insbesondere für die Bedienung der Entladestempel der 1966 beschafften Granbywagen notwendig geworden. |
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Und was war aus den BBC-Maschinen geworden? Umgespurt auf 900 mm versahen sie für kurze Zeit ihren Dienst im Tagebau des Eisenerzbergwerks "Hannoversche Treue". Danach ging es zur Sandgrube Eixer See in Peine, wo sie noch einige Jahre den Spülsand für das Erzbergwerk "Peine" zu den Schachtanlagen 1 und 2 fuhr. Mit der Stilllegung des Sandabbaus verlieren sich ihre Spuren. |